Kann man nach dem niederländischen Recht ein
Dauerschuldverhältnis kündigen?
Für bestimmte Arten von Dauerschuldverhältnissen („benoemde
duurovereenkomsten“), zum Beispiel wenn es sich um einen Arbeitsvertrag oder
ein Mietvertrag handelt, enthält das niederländische BGB („Burgerlijk Wetboek“)
Vorschriften über die Kündigung. Für die Arten von Dauerschuldverhältnissen
(„onbenoemde duurovereenkomsten“), die nicht in dem niederländischen BGB
geregelt worden sind, wie die Vertriebsvereinbarung, die Lizenzvereinbarung
oder die Gesellschaftervereinbarung, gibt es auch keine gesetzlichen
Vorschiften bezüglich einer Kündigung, auf die man zurückgreifen könnte.
Wenn es außerdem keinen gesetzlichen Grund gibt, um den Vertrag rückgängig zu machen und die Parteien
auch vertragsrechtlich keine Kündigungsmöglichkeiten vereinbart haben, muss die
Frage, ob das Dauerschuldverhältnis kündbar ist, an Hand der Jurisprudenz
beantwortet werden. Es hängt dann vom konkreten Fall ab, ob ein solches
Dauerschuldverhältnis kündbar ist. Global könnte man aber Folgendes zu der
Kündigung von Dauerschuldverhältnissen sagen:
In einem Fall aus 1999 (HR 3. Dezember 1999, NJ 2000,120
(Latour/De Bruijn)) hat der Hoge Raad, das höchste niederländische Gericht, geurteilt, dass ein Dauerschuldverhältnis generell nicht kündbar ist, es sei
denn, dass ein ausreichender, schwerwiegender Grund vorliegt. Gibt es einen
solchen Grund nicht, obwohl die benachteiligte Partei ein berechtigtes Interesse
daran hat, dass der Vertrag nicht gekündigt wird, könnte eine Berücksichtigung
der Interessen dazu führen, dass der Vertrag nicht gekündigt werden kann und somit
für unbefristete Zeit weiterhin gilt.
Von niederländischen Gerichten wird dieser Fall oft als
Ausgangspunkt angenommen, wobei eine Kündigung dann manchmal doch, oder manchmal auch nicht möglich ist, wenn nur
eine ausreichende Kündigungsfrist eingehalten wird und/oder ein ausreichender
Schadensersatz gezahlt wird. Die Gerichtsurteile sind zu unterschiedlich,
um eine einheitliche Linie entdecken zu können.
Am 28 Oktober 2011 hat der Hoge Raad, jedoch eine wichtige
Entscheidung bezüglich der Kündigungsmöglichkeit eines Dauerschuldverhältnisses
abgegeben (Hoge Raad 28 Oktober 2011, zaaknr. 10/00299, LJN: BQ9854). Dabei urteilte
der Hoge Raad anders als in 1999: ein Dauerschuldverhältnis ist im Prinzip
kündbar.
Außerdem folgt aus dieser Entscheidung, dass, sofern man ein
Dauerschuldverhältnis kündigt, nicht immer ein ausreichender, schwerwiegender
Grund vorhanden sein muss und sofern es einen solchen Grund nicht gibt, ein
Vertrag nicht automatisch unkündbar ist.
Stets sollte aufgrund der Angemessenheit und Billigkeit
beurteilt werden, ob ein schwerwiegender Grund notwendig ist. Dazu sollten die
Interessen der Parteien abgewogen werden, wobei nicht nur eine finanzielle Abwägung
stattfinden sollte, sondern auch berücksichtigt werden müsste, ob man geschäftlich
von der Fortsetzung des Vertrages abhängig ist. In dem Fall aus 2011 wurde dies
von der Partei, welche sich der Kündigung widersetzte, nicht erwähnt. Ebenso wenig
wurden andere Umstände aufgeführt, welche einen schwerwiegenden Grund für die
Kündigung vorausgesetzt hätten.
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